100 Jahre „ein würdiges Denkmal“

1925 bis 2025: Westumer Kapelle feiert im nächsten Jahr ein großes Jubiläum

Die Westumer Kapelle ist nicht etwas „Ehemaliges“ sondern hat zu jeder Zeit eine bedeutende Rolle für die Menschen gespielt. Natürlich zunächst als Mahnmal und Gedenkstätte für die gefallenen und vermissten Soldaten beider Weltkriege. Da die Würde eines Menschen nicht mit dem Tod endet war es für alle Angehörigen von besonderer Bedeutung einen Ort der Stille, der Besinnung und des Gebetes zu finden. Für die Kriegsheimkehrer, die den Schrecken des Krieges überlebt hatten, war es wichtig bei Maria der „Königin des Friedens“ ihre Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. So werden auch noch nach über 80 Jahren regelmäßig sei es von Angehörigen oder auch von Menschen mit besonderem Anliegen Blumen niedergelegt, Kerzen angesteckt und Rosenkränze abgelegt.
100 Jahre Westumer Kapelle – ein kurzes Stück auf dem langen Weg durch die Geschichte der Westumer Schützengesellschaften. Das Gründungsjahr der Westumer war 1713 und seit je hatte dieser Ort eine Zentrale Funktion. Oft waren es bescheidene Zeitumstände die bewirkten, dass man trotz aller Reibereien und Rechthabereien in Not und Tod, in Freud und Leid zusammenhielt.

Als Gedächtniskapelle für die gefallenen und vermissten Soldaten beider Welt-
kriege gedacht, war und blieb sie bis heute ein nachbarschaftsbezogener Andachtsraum. Zur eigentlichen Bedeutung kommt die Kapelle an den großen Prozessionstagen, wenn sich die Kirchengemeinde, heute St. Josef, zur feierlichen Bekundung des gemeinsamen Glaubens außerhalb der Pfarrkirche zusammenfindet.

Ob Schützenfest oder Maitanz, feiern konnten die Emsdettener schon immer und
im Jahre 1844 drehte sich sogar das erste Karussell in Emsdetten vor der alten Kirche.
Im Jahre 1850 verstummten plötzlich die lustigen Weisen in Emsdetten.
Die fidelen Musikanten gingen in sich gekehrt, gesenkten Hauptes mit demütiger Büßermiene ihrer Arbeit nach: Ein Prediger war in das Dorf gekommen mit der felsenfesten Absicht, sich eher “Leber und Lunge aus dem Leibe” zu reden, als die Leute unbußfertig zu verlassen. Und die Mission hatte gewaltigen Erfolg! Alles strömte in die Kirche.
Was für einen Einfluss dieser Prediger auf die Bürger gehabt haben muss, erkennt man daran, dass die Bußpredigt vier bis fünf Jahre angehalten hat.

Und eben aus dieser Zeit stammte die erste “Westumer Kapelle” auch Kluse genannt. Es war der Wunsch eines Junggesellen aus Westum gewesen, ein Kirchengebäude in kleinerem Maßstab, zur Ausübung von Frömmigkeit unter Gleichgesinnten zu schaffen. Der Form nach war die Kluse bescheiden. Es war ein einfacher kastenförmiger Raum, mit einem kleinen Altar und darüber befindlichen Kreuz ausgestattet. Andersrum wollte man aber auch gegenüber der Mutterpfarrei eine gewisse Selbständigkeit beweisen. Mit der Fertigstellung bekam die Kluse eine zentrierende Funktion. Sie war ab sofort Station bei der großen Fronleichnamsprozession die damals noch von der St.-Pankratius-Kirche aus ging. Sie führte über die Borghorster Straße und bog dann in den Prozessionsweg ein.

Die Wunden des Ersten Weltkrieges waren noch nicht verheilt, da hatten die Emsdettener Schützenvereine den Wunsch ihren gefallenen Kameraden zu gedenken. Obwohl kaum finanzielle Mittel vorhanden waren, planten die Westumer eine Kriegergedächtniskapelle zu bauen. Die alte Kluse aus dem Jahre 1850 war zu klein und auch baufällig geworden. Nachdem im Jahre 1924 die Gemeinde den Westumern ein Grundstück zur Verfügung gestellt hatte wurden die Wünsche und Planungen sofort umgesetzt. Hatten die Hollinger sich für eine Pieta und die Ahlinteler für ein Kreuz entschieden so sollte die Mutter Gottes mit dem Jesuskind das Innere der neuen Kapelle schmücken. Als die Entwürfe über die Kapelle und Altar mit Statue vorlagen, hatten die Westumer nur noch einen Wunsch, das Werk so bald wie möglich zu vollenden. So begannen die Schützenbrüder noch im Herbst 1924 mit den Maurerarbeiten welche allesamt in Eigenleistung durchgeführt wurden. Die Ausfertigung lag in den Händen der Herren Clemens Löcke, Hubert Stegemann und Karl Dalleiger, letzterer hatte als Polier die Bauleitung übernommen. Um die Rechnungen für das Material zu begleichen, musste Geld gesammelt werden. Monat für Monat wurden nun Türkollekten durchgeführt wobei sich zeigte, dass die Westumer geschlossen hinter dem Vorhaben standen. Selbst die Landwirte opferten ihre Jagdpachtgelder für die neue Kapelle. Noch im gleichem Jahr wurde die alte “Kluse” abgerissen.

Das Gebäude wurde bereits 1925 fertig erstellt und diente im gleichen Jahr schon als Station für die große Fronleichnamsprozession. Ein Jahr später wurde dann durch die Firma Averesch der Marienaltar aufgestellt. In den darauffolgenden Tagen wurden die Außenanlagen erstellt und die letzten Malerarbeiten durchgeführt. Die zwei Gedenktafeln mit den Namen der Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg wurden rechts und links von der Statueangebracht. Sämtliche Westumer ersehnten nun den Tag der Einweihung herbei.

Am 30.05.1926 war dann der große Tag für die Bauerschaft Westum gekommen an dem die Westumer Kapelle eingeweiht wurde. Die Rheiner Str. und Bernhardstr. prangten im Fahnenschmuck. Der Platz auf dem die Kapelle sich erhebt, war mit Fahnen und Wimpeln, Girlanden, Birken und Wacholder festlich geschmückt. Durch die Weihe wurde die Kapelle ihrer Bestimmung übergeben. Sie ist geworden eine Stätte des Gebetes, des Segens und des Friedens. Frieden und Freiheit sind nicht selbstverständlich, heute sitzen auch in der westlichen Welt Menschen an den Schalthebeln, die Wahn und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden können, das macht einem Angst. Der Frieden ist das wichtigste Gut, das wir haben und das wir auch verteidigen müssen. Wo kann man den Frieden besser zum Ausdruck bringen, als an dem Ort, der an die Vergangenheit erinnert, aber auch als Mahnung an die Zukunft seinen Auftrag hat! Nun ist seit 100 Jahren auf dem Standbild in der Westumer Kapelle zu lesen:

„Maria mit dem Kindlein zart,
halt fern von uns den Krieg so hart!“

Die Westumer Kapelle

Die Westumer Kapelle nach der Renovierung im Jahr 1987

Neben unserer Vogelstange auf Hof Brinkmann unter den Eichen gehört die Westumer Kapelle an der Amtmann-Schipper-Straße zu den zentralen Einrichtungen unserer Schützengesellschaft.

Die historische Aufgabe der Schützengesellschaften bestand darin, die Heimat vor umherziehenden Räuberbanden und Vandalen zu schützen. Um diesen Schutz zu gewährleisten, wurden die Mitglieder im Umgang mit den Waffen vertraut gemacht. Während kriegerischer Auseinandersetzungen und zum Schutz der Heimat wurden die Schützen zu Dienst an der Waffe einberufen und mussten diesen Einsatz oft mit dem Leben bezahlen.

Das ist sicherlich ein Grund dafür, dass sich die Schützen ihren Toten seit jeher sehr verbunden fühlen. So war es in früheren Jahren üblich, dass für die Schützenbrüder die Verpflichtung bestand, beim Tode von Mitgliedern der Gesellschaft an der Beerdigung bzw. am Seelenamt teilzunehmen. Auch heutzutage ist es bei den Westumern üblich, dass eine Abordnung den Schützenbruder auf seinem letzten Weg begleitet.

Besondere Form des Totengedenkens

Bei den in Kriegen gefallenen Schützenbrüdern ist diese Form des Totengedenkens nicht möglich, da sie im Felde verblieben sind. Die gedankliche Verbindung zwischen dem Schutz der Heimat und Schützenbrüdern, die dabei ihr Leben verloren hatten, führte zu einer besonderen Form des Totengedenkens, der Gefallenenehrung. Schon vor den beiden Weltkriegen müssen viele Schützenbrüder der Bauernschaft Westum ihr Leben verloren haben. In der Festschrift zum 200-jährigen Bestehen der Westumer Schützengesellschaft im Jahre 1913 wird bemerkt, dass die Gesellschaft unter den Kriegen sehr zu leiden hatte. Nur rund ein Jahr nach der Veröffentlichung dieser Zeilen begann bereits ein neuer Krieg. Von rund 180 Mitgliedern waren am Ende des 1. Weltkrieges 43 Schützenbrüder gefallen. Um auch diesen Schützenbrüdern zu gedenken, entschied man sich, eine Gedenkstätte zu errichten. Diese sollte am städtischen Grundstück an der Amtmann-Schipper-straße, vormals Richardstr., gebaut werden.

Alle Arbeiten wurden in Eigenleistung erbracht

Gemeinsam mit der Schützengesellschaft Westuer Einigkeit wurde im Herbst 1924 mit dem Bau der Kapelle begonnen. An der Stelle der neu zu errichtenden Gedenkstätte stand seit etwa 1850 eine Kluse, die im Jahre 1924 abgerissen wurde. Für das Mauerwerk der Kapelle wurde Ibbenbürener Sandstein, für den Altar mit Statue Baumberger Sandstein verwendet. Alle Arbeiten wurden in Eigenleistung erbracht. Das Innere der neuen Kapelle sollte die Mutter Gottes mit dem Jesuskind, flankiert von zwei Engeln in betender Stellung, schmücken. Die Sockelplatte trägt die Inschrift:

„Maria, durch Dein Kindlein zart, halt fern von uns den Krieg, so hart!“

Links und rechts von der Statue wurden zwei Gedenktafeln mit den Namen der Gefallenen aus dem ersten Weltkrieg angebracht. Die gedenktafeln tragen die Überschrift: „Es starben den Heldentod“. Anfang Juni 1925 war die Kapelle fertiggestellt. Die Bildhauerarbeiten dauerten noch bis zum Frühjahr 1926. Es bleibt zu erwähnen, dass der Bau der Kapelle viel Geld verschlungen hat. Die Finanzierung allerdings wurde durch die enorme Spendenbereitschaft sichergestellt. Die Einweihung der Kapelle erfolgte am 30. Mai 1926 unter großer Anteilnahme der Emsdettener, ganz besonders aber der Westumer Bevölkerung. Dieses Ereignis wurde von der Emsdettener Volkszeitung in der Ausgabe vom 27. Mai 1926 mit einem Ausführlichen Artikel angekünsigt.

Nur 13 Jahre nach Einweihung der Kapelle begann 1939 der zweite Weltkrieg. 105 Westumer verloren ihr Leben und weitere 31 Vereinsmitglieder wurden vermisst. Im April 1949 entschieden sich die Westumer, für die gefallenen Schützenbrüder des zweiten Weltkriegs ebenfalls Gedenktafeln anzuschaffen. Auf Grund der schlechten finanziellen Lage wurden zunächst Gedenktafeln aus Holz für das Vereinslokal Laumann angeschafft. Diese wurden am Schützenfestsamstag des Jahres 1950 eingeweiht. Für das Innere der Kapelle wurden Gedenktafeln aus Granitstein, in denen die Namen der Gefallenen und Vermissten beider Schützengesellschaften eingemeißelt sind, angebracht und am 11. Juli 1952, am Schützenfestsamstag, eingeweiht. Die Tafeln tragen die Überschrift: „Wir brachten das Opfer“ und „Betet für uns“. Seit der Errichtung der Kapelle findet alljährlich am ersten Tag des Schützenfestes die Gefallenenehrung an dieser Stelle statt. Bevor der Vogel zur Stange gebracht wird, gedenkt man der Kriegstoten in einer Zeremonie, die u. a. eine Kranzniederlegung beinhaltet.

Altar drohte zu kippen

1962 wurde dann im Zuge des Ausbaus der Amtmann-Schipper-Straße die erste große Renovierung an der Kapelle vorgenommen. Der Eingangsbereich wurde neu gestaltet und die Mauer wurde zurück versetzt. Die Kapelle wurde abgestrahlt und neu ausgefugt. Der Innenraum wurde neu gestrichen und die Außenanlagen wurden erneuert. Im Jahre 1975 wurde die Kapelle mit einer Dachrinne versehen. Zum Jubelfest 1988 sollte die Kapelle im neuen Glanz erstrahlen. So entschied der Vorstand im Frühjahr 1987, die Kapelle auf Hochglanz zu bringen. Nachdem man zunächst davon ausgegangen war, nur kleinere Renovierungs- und Reinigungsarbeiten durchführen zu müssen, zeichte sich bei Beginn der Arbeiten schnell, dass ein umfangreicher Sanierungsaufwand erforderlich war. Unter anderem drohte der Altar unter der Last des Standbildes nach vorn zu kippen. Um bei der Restaurierung Fehler zu vermeiden, wurde das Westfälische Amt für Denkmalpflege in Münster hinzugezogen. So wurde die Kapelle unter der fachmännischen Leitung von Herrn Dr. Borgmann und unseres Mitglieds Paul Wenkers (als künstlerischer Betreuer) so hergerichtet, wie sie 1925 ausgesehen hat.

In Eigenleistung übernahmen die Westumer die umfangreiche Renovierung ihrer Kapelle und der Außenanlagen im Jahr 1987.

Feierliche Einweihung nach der Renovierung

Diese Renovierung wurde nur möglich durch eine große Spendenbereitschaft. Am 13. Juni 1987 wurde die Kapelle unter großer Anteilnahme der Bevölkerung sowie beider Schützengesellschaften feierlich durch Pastor Volkenhoff eingeweiht. Zu erwähnen bleibt noch, dass bei den Renovierungsarbeiten eine Urkunde im Boden mit eingemauert wurde.

Die Westumer Kapelle ist aus dem öffentlichen Leben in Westum und vor allem aus dem Vereinsleben beider Schützengesellschaften nicht wegzudenken. Zum einen wird die Kapelle genutzt, um am ersten Schützenfesttag der Gefallenen zu gedenken, zum anderen nutzt die Kirchengemeinde St. Joseph sie als Fronleichnamsstation.

1987 fand die feierliche Einweihung der renovierten Kapelle statt. Zelebrant war Pastor Bernhard Volkenhoff.

Mahnung, für den Frieden zu Leben und zu beten

Zu erwähnen bleibt noch, dass während der nationalsozialistischen Herrschaft die Gefallenenehrung in eine „Heldengedenkfeier“ umfunktioniert wurde. Nach den Kriegen stand die Trauer im Mittelpunkt der Gefallenenehrung. Heutzutage wird sie als Mahnung verstanden; eine Mahnung der Kriegstoten an die Lebenden für den Frieden zu leben und für die Bewahrung des Friedens zu beten.

Damit sich die Kapelle zu jeder Zeit in einem untadeligen und vorzeigbaren Zustand befindet, übernehmen die Mitglieder der Westumer Schützengesellschaft die regelmäßige Pflege. Dieses so genannte Kapellenkomitee, bestehend aus 6 – 8 Personen, ist innerhalb unserer Gesellschaft eine selbstständige Abteilung. Wöchentlich treffen sich die Mitglieder, um die notwendigen Arbeiten durchzuführen. Dies geschieht völlig unentgeltlich. Dem Kapellenkomitee ist und war es zu verdanken, dass die Kapelle in Westum immer ein würdiges Denkmal war und auch zukünftig bleiben wird. An dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön an alle aktiven und ehemaligen Mitglieder des Kapellenkomitees.

Text: Aus der Festschrift zum 300-jährigen Jubiläum unserer Gesellschaft
Fotos: Westumer Vereinsarchiv